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Die Abenteuer des Ruben Jablonski

Leidensweg und Liebeschronik

Edgar Hilsenrath: "Die Abenteuer des Ruben Jablonski" - ein Leben voll politischer und erotischer Wirren
Von Herbert Glossner

Er hat viele Namen. Er lebt in Deutschland, in der Bukowina, nicht weit von Czernowitz, dem blühenden kulturellen Zentrum osteuropäischen Judentums. Er durchleidet das Ghetto, Verfolgung durch willfährige Rumänen, Angst vor Russen und Deutschen, abenteuerliche Fluchten. Er kommt nach Palästina, in die Vereinigten Staaten. Er könnte Bronsky heißen oder Jablonski. Oder Hilsenrath.

Edgar Hilsenrath ist ein überlebender, und er wurde zum Zeitzeugen einer Welt, die verloren ist. Zum Chronisten ihrer Vernichtung durch die Angehörigen einer Kulturnation, die ihre überlegenheit mit Mord und Totschlag beweisen wollte. Auch Hilsenrath, 1926 in Leipzig geboren, gehörte diesem deutschen Volk an. über Osteuropa kam er nach Palästina, dann nach New York und schließlich nach Berlin. Als deutscher Schriftsteller mit amerikanischem Paß.

über die Welt des jüdischen Schtetl, wie sie auch Elias Canetti oder Manès Sperber geschildert haben, über das Besondere der Bukowina läßt er in seinem neuen Buch die Mutter sagen: Dort "lebe das alte österreich weiter, nämlich das, was sie vor dem Ersten Weltkrieg gekannt hatte, es vermische sich nur mit alter jüdischer Tradition und einem Hauch vom Balkan, eben das richtige, um sich zu Hause zu fühlen". Und zu den Novellen von Stefan Zweig, die den jungen Ruben begeistern, schreibt er: "Das war das alte österreich, und wie ich glaubte, meine Welt." Er täuschte sich.

Sein 1964 erschienener Roman "Nacht", der damals kaum beachtet wurde, und spätere Bücher wie " Bronskys Geständnis" tragen erkennbar, wenn auch literarisch verkleidet, autobiographische Züge. Die Abenteuer des Ruben Jablonski ist nun ausdrücklich Ein autobiographischer Roman, der, wie er vorausschickt, "nur der überzeugungskraft meines Lektors Uwe Heldt und seinem sanften Zureden" zu verdanken sei.

Aber wieder ein Roman, in dem manche Begebenheiten und örtlichkeiten bereits aus früheren Büchern bekannt sind. Doch so genau und dicht wie nie zuvor zeichnet er den Weg des Leiziger Kaufmannssohns nach, der mit Mutter und Bruder bei den Großeltern in der Bukowina vor den Nazis Zuflucht sucht. Der Vater war nach Paris gereist, um sie bald nachzuholen. Da fängt der Krieg an, und erst auf dem Weg vom jungen Staat Israel nach Amerika trifft Ruben in Frankreich wieder mit der ganzen Familie zusammen.

Als Siebzehn-, Achtzehnjähriger hatte er sich im letzten Kriegsjahr allein bis nach Palästina durchgeschlagen, im Kibbuz gearbeitet, in Tel Aviv mühsam sein Leben gefristet. Er will unbedingt Schriftsteller werden, aber vorerst scheitern alle Versuche, seine Erlebnisse in eine literarische Form zu bringen. Bis, noch in Tel Aviv, der Knoten reißt und er plötzlich spürt, "es klappte. Ich kann schreiben".

Es sollte sich zeigen, daß Hilsenrath dann am stärksten ist, wenn er für das kaum Beschreibbare wie beiläufig Worte findet und lakonische, oft saloppe Sätze formuliert, die aber nur scheinbar unangemessen sind. Wie auch Ruben Jablonski, der Ich -Erzähler. Er braucht kein Pathos für den Tod, er benennt ihn. Einfach so. Und trifft damit in Herz und Gewissen.

Aber Rubens Leidensweg ist auch ein tour d' amour , eine Chronik gescheiterter und erfolgreicher Beischlafversuche. Und was dem Autor in anderem Milieu oft böse mißrät: Hier oder auch in der Groteske " Der Nazi & der Friseur", Hilsenraths erstem großen Erfolg 1977, ist Sex die verzweifelt triumphale Antwort auf den gewaltsamen Tod.

 

Das Sonntagsblatt, Nr.12, 21. März, 1997