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Dies ist eine
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Edgar Hilsenrath

Dies ist eine computerfeindliche Lösung

Erzählung

Ich gebe es zu. Ich besitze noch keinen Computer. Unvorstellbar: so ein Monstrum auf meinem selbstgezimmerten Schreibtisch. Am liebsten würde ich mit einer Gänsefeder schreiben, aber sie sind schwer aufzutreiben. Abgenagte Bleistiftstummel und zerkaute billige Kulis sind auch nicht zu verachten. Aber zur Sache: Vor circa siebenunddreissig Jahren kaufte ich eine Groma- Reiseschreibmaschine, gebraucht natürlich. Sie gehörte einem jüdischen Emigranten, den ich mal im Fahrstuhl eines New Yorker Mietshauses kennengelernt hatte. Ich gab ihm funfundzwanzig Dollar dafür.

Auf dieser Schreibmaschine habe ich alle meine Bücher getippt. Sie ist mein bester Kamerad, hat einen leichten Anschlag und passt sich im Tempo dem Rhythmus meiner gedanklichen Formulierungen an.

Und nun zum Problem der Korrekturen, das ich auf einfache und computerfeindliche Art gelöst habe. Es gibt nämlich seit mehr als 30 Jahren ein chemisches Zauberschreibpapier, das in Amerika hergestellt wird. Es heisst »Erasable paper« und hat folgende Eigenschaften: Man kann mit einem gewöhnlichen Radiergummi alle Fehler spurlos wieder ausradieren, natürlich auch ganze Absätze oder Seiten löschen und zwar schneller und überschaubarer als mit einem Computer. Auf diese Weise kann ich zügig und sauber arbeiten.

Und wie ist es mit einem Computer? fragte mich unlängst ein Kollege. Irgendwann wirst du dich anpassen müssen und dir einen anschaffen. Natürlich, sagte ich. Aber ich bin doch nicht dumm. Der modernste Computer von heute ist morgen schon ein alter Hut. Deshalb warte ich ab. Ich warte auf den endgültigen und letzten Computer. Dieser Computer müsste selbständig denken können. Und nicht nur das. Er müsste auch schlauer als ich sein und genau wissen, was die Verleger eigentlich wollen, vor allem aber, was den Kritikern gefällt. Ich stelle mir das so vor: Frühmorgens, gleich nach dem Aufstehen, stelle ich dieses Superding ein, drücke die wichtigen und erfolgentscheidenden Tasten und lasse ihn für mich arbeiten. Dann nehme ich ein Bad, rasiere mich, ziehe mich an, frühstücke, gehe einkaufen, dann zur Post, auf dem Rückweg zum Briefkasten, die übliche Routine. Später gehe ich zum Schreibtisch, nur, um mal nachzugucken, ob der Roman fertig ist. Natürlich ist er fertig. Die Frage bleibt: Was mache ich mit meiner vielen Freizeit? Aber bis dahin gibt es sicher eine Lösung - einen zweiten Computer als Ratgeber für meinen nicht so besonderen Fall: gesicherte Freizeitgestaltung für entlastete Dichter und Denker.

 

Mit freundlicher Genehmigung von Edgar Hilsenrath